Freitag, 30. März 2007

Unterwegs an die Wurzeln der Nachhaltigkeit

Sachsen, unmittelbar vor Ostern 2007. Auf einer Reise von Graz über Salzburg durch die ehemalige DDR bis Polen sind wir heute nach einer „Monstertour“ von mehr als 750 km nach Schneeberg gekommen, einem wunderschönen, kleinen Ort am Ausläufer des Erzgebirges. Nach hunderten Autobahnkilometern waren die letzten Kilometer über schmale Landstraßen eine Offenbarung. Eine romantische Landschaft tut sich auf, Fachwerkhäuser prägen zum Teil das Ortsbild und ich staune, als wir nachrechnen, dass es bald 18 Jahre sind, dass der eiserne Vorhang gefallen ist und die Teilung Europas ein Ende hatte. Wohin man früher nur nach langen und unguten Grenzkontrollen konnte, dorthin fährt man heute ohne Halt und ohne Wartezeit. Nur mühsam lässt sich rekonstruieren, wo die Grenze zwischen Osten und Westen gewesen ist, wo der Todesstreifen war. In Schneeberg angekommen beziehen wir unsere Zimmer im kleine Hotel Büttner direkt am Hauptplatz. Es wurde wunderschön hergerichtet und wir werden von warmherzigen Menschen empfangen. Das Abendessen ist ein Gedicht und die Empfehlung des Restaurants im Gault Millau ist verdient. Wieder einmal zeigt sich, dass es an diesem Ort (wie auch bei so vielen anderen) lange Zeit am Geld gefehlt hat, um alte Gebäude abzureißen und „moderne“ Gebäude zu errichten. Was lange Zeit ein Nachteil war, erweist sich jetzt als Vorteil: die Gebäude konnten in einer Pracht wieder hergestellt werden, die den Ort sehenswert und wertvoll machen - aus Altem entsteht Wert für Gegenwart und Zukunft. Nahe liegt die Vergleich zur Nachhaltigkeit und plötzlich stellt sich die Frage, ob denn nicht diese Gegend, diese Orte etwas mit der Nachhaltigkeit zu tun haben. Eine kurze Recherche im Internet bestätigt mir, was ich in Vorträgen immer wieder erzähle. Der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz stammt aus der Gegend, und zwar aus der nahegelegenen Silberstadt Freiberg. Im Jahr 1713, ein Jahr vor seinem Tod, publizierte er in seiner Sylvicultura Oeconomica, die als erstes forstwirtschaftliches Werk gilt, den Begriff der Nachhaltigkeit. Studien, die er in seiner Jugend in ganz Europa machte, wiesen ihn auf das hin, was er in diesem Buch beschreibt: dass man in einem Jahr nicht mehr Holz schlägern darf, als in der gleichen Zeit nachwächst. Er erkannte, dass der florierende Silberbergbau nicht durch zurückgehende Silberminen gefährdet war, sondern durch einen Mangel an Holz. Holz, das für die Errichtung der Stollensysteme ebenso notwendig war wie für das Schmelzen der Erze. Ein sich abzeichnender Mangel, eine akute Krise standen an den Anfängen der Nachhaltigkeit, und die Parallelen sind rund 300 Jahre später verblüffend. Auch heute sind es sich abzeichnende Mängel und existenzielle Krisen, die zur Sensibilisierung der Menschen, der Wirtschaft und der Politik führen und den Begriff Nachhaltigkeit „modern“ werden lassen. Es ist zu hoffen, dass so wie damals diese Krisen zu einem Gegensteuern, zu einem massiven Umdenken führen und wir es schaffen, den Kurs zu wechseln. „Kurswechsel“, das ist der Titel eines der eindrucksvollsten Bücher zur Nachhaltigkeit. Stephan Schmidheiny, der Gründer des World Business Council for Sustainable Development, hat es als Vorbereitung auf den Rio-Gipfel geschrieben. Die Idee von Carlowitz nimmt immer mehr Konturen an, fängt an, sich wie ein Welle auszubreiten. Hoffen wir, dass sie nicht verebbt, sondern all das wegspült, was mit einer zukunftsfähigen Welt nicht vereinbar ist.

Hinweise:
Ulrich Grober hat in DIE ZEIT Nr. 48 vom 25.11.1999 auf S. 98 den ausgezeichneten Artikel „Der Erfinder der Nachhaltigkeit“ publiziert. Dieser Artikel ist im Agenda 21 zur Nachhaltigkeit nachzulesen.
Links: Hotel Büttner
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