Donnerstag, 17. Mai 2007

Kopftuch – ein Problem?

In West- und Mitteleuropa erhebt sich immer wieder die Diskussion über Frauen, die Kopftücher tragen. Sehr schnell wird das Kopftuch nicht nur mit der muslimischen Religion in Verbindung gebracht, es wird auch davon ausgegangen, dass die Trägerin eine religiöse Fanatikerin ist, zum Tragen des Kopftuches gezwungen wird und ihrer persönlichen Freiheit beraubt wird.

Ist der Anblick von muslimischen Frauen in meiner Heimatstadt noch ein ungewohnter Anblick, so mache ich in diesen Tagen eine völlig andere Erfahrung. Ich bin zur Zeit mit einem ORF-Kamerateam in Sarajevo, wo wir Filmaufnahmen für einen Film über Menschenrechte machen. Mit Sarajevo verbinde ich Erinnerungen aus meiner Schulzeit: die Ermordung des österreichischen Thronfolgers, die letztendlich zum ersten Weltkrieg geführt hat. Die Vielzahl der Kulturen, ethnischen Gruppen und Religionen, die in großer Toleranz an einem Ort zusammen gelebt haben und die Bilder, die noch gar nicht so lange her sind, als es in Folge des Zerfalls von Jugoslawien zu einem grausamen Krieg kam. Bis heute kann man an den Gebäuden, auf den Straßen und Plätzen, aber auch in den Erzählungen der Menschen diesen Krieg spüren. Die äußeren Schäden werden langsam beseitigt, die inneren Wunden heilen langsam. Was aber faszinierend ist, und ich komme zum Eingangs erwähnten Kopftuch zurück, ist der Anblick, der sich hier auf den Straßen bietet. An einem vorsommerlichen Tag mit Temperaturen weit 20 Grad Celsius sieht man auf der Straße Frauen und Mädchen, die sommerlich-modisch gekleidet sind, aber man sieht auch Frauen – junge wie ältere - mit Kopftuch und Überwurf. Interessant ist es, wenn sich dieser Kontrast an zwei Frauen zeigt, die in einem der zahlreichen Straßenkaffees sitzen oder heftig diskutierend und tratschend durch eine der schönen Straßen in der Altstadt gehen. Spätestens hier wird einem klar, dass das, was bei uns in Mittel- und Westeuropa manchmal zu einer Grundsatzfrage hochstilisiert wird, hier kein Thema ist. Man kann erkennen, dass die Person zählt, und nicht das Äußere. Es gibt Hoffnung, dass in einer Stadt, in der vor wenigen Jahren noch Straßenkämpfe, ethnische Säuberungen und ein grausamer Krieg das Leben prägten, ein Miteinander möglich ist, das auch uns in Mittel- und Westeuropa zu mehr Toleranz und Akzeptanz von Fremdem und Fremden ermuntern sollte

EZA
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