Samstag, 19. Mai 2007

Shooting in Sarajevo

Vier Tage intensiven Filmens in Sarajevo gehen zu Ende. Das Drehen hier in dieser Stadt, die gerade auf den 15. Jahrestag des Kriegsbeginns zurückblickt, war interessant und spannend. In der Organisation dieser Reise schickte ich ein Mail an wus austria, unsere Partner vor Ort in der bosnischen Hauptstadt. Um die Kommunikation zu erleichtern, war das Mail mit unseren Terminen, Wünschen und den Bitten auf Klärung in der gemeinsamen Fremdsprache Englisch. Ein Blick ins Wörterbuch bestätigte: Filmaufnahme, filmen wird mit shooting übersetzt. Shooting, Schießen ist aber etwas, das hier in Sarajevo noch allzu bekannt ist. Überall in der Stadt sieht man an den Hauswänden Einschusslöcher und die Schäden, die Granaten angerichtet haben. Unsere Partner erklären uns immer wieder, von wo geschossen wurde, wo die Schützengräben und wo sich die Scharfschützen versteckten. Das shooting erhält eine weitere Dimension, wenn man von den Menschen hört, wie sie oder ihre Verwandten die vier Jahre Belagerung überstanden und was es bedeutete, völlig abgeschnitten zu sein. Unsere Dolmetscherin, die es mit ihrer Familien zu den in Deutschland lebenden Großeltern schaffte, erzählt uns, dass viele Jugendliche heute, 15 Jahre nach dem Kriegsbeginn massive Probleme haben, mit der Erfahrung, vier Jahre in Wohnungen eingesperrt gewesen zu sein, fertig zu werden. Es gibt de facto keine psychologische Begleitung zur Aufarbeitung dieser Erlebnisse und die Unterschiede des Umgangs sind auf der Straße zu sehen. Es gibt wesentlich mehr junge Frauen und Mädchen, als es Burschen gibt. Die Burschen zieht es weg von hier, die Mädchen bleiben in ihrer Heimat. Auch von Bindungsängsten unter jungen Menschen berichtet sie: viele haben Angst, eine dauerhafte Beziehung einzugehen.

Beeindruckend sind die jungen Leute, die wir in den letzten Tagen trafen. Viele kamen zurück, um am Wiederaufbau Sarajevos und Bosnien-Herzegowinas mitzuwirken. Sie strahlen Dynamik aus, Energie und Hoffnung, dass es besser wird. Wenn man daran denkt, was man selbst vor 14, 15 Jahren gemacht hat, dann rückt der Krieg näher. Es ist nicht mehr die Eltern- und Großelterngeneration, die vom Krieg erzählt, es sind Menschen, die gleich alt sind oder ein paar Jahre jünger. Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis man shooting hier nur mehr mit Filmen verbindet und nicht mit den Erinnerungen an die Zeit des Krieges und der Belagerung!

EZA
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